Für Zhang Jike ging es am Sonntag um mehr als nur den World-Cup-Sieg. Vor den strengen Augen von Chinas Cheftrainer Liu Guoliang musste der 26-Jährige beweisen, dass er dem Druck standhalten kann und bereit ist für Olympia 2016 in Rio. Seine Nominierung gilt im Reich der Mitte keineswegs als sicher, obwohl er amtierender Einzel-Olympiasieger und -Weltmeister ist. „Ich habe immer noch das Gefühl, dass er nicht mit ganzem Herzen bei der Sache ist. Aber er weiß, dass er sich keinen Fehler mehr erlauben darf, denn seine Konkurrenten für einen Olympia-Start haben inzwischen genauso gute Chancen“, sagte Liu unlängst. Zhang Jike hat die mahnenden Worte seines Coaches offenbar verstanden. Nicht anders ist sein Weltklasse-Auftritt in Düsseldorf zu deuten. Seinem Ruf, immer dann in Topform zu sein, wenn es um die großen Titel geht, machte der Tischtennis-Athlet mit der Sprinter-Muskulatur einmal mehr alle Ehre. Nach dem 4:3 über Timo Boll im Halbfinale bezwang der Rückhand-starke Rechtshänder auch seinen Landsmann und den vermeintlichen Favoriten Ma Long mit 12:10 im Entscheidungssatz. Dass Zhang Jike laut Liu Guoliang nicht mit dem Herzen dabei sei, widerlegte das „Enfant terrible“ am Sonntag im ISS DOME auf spektakuläre Art und Weise. Nach dem verwandelten Machtball rannte Zhang los und zertrümmerte per Fußtritt zwei Umrandungen des Center Courts. Die Turnier-Jury entschied später: Wegen unsportlichen Verhaltens wird Zhang Jike die Siegprämie aberkannt. 45.000 US-Dollar gehen dem Chinesen so durch die Lappen. In der Pressekonferenz entschuldigte sich Zhang Jike für sein Verhalten, das ihm offenbar peinlich war. „Ich habe sehr stark unter Druck gestanden. Ich bin in den letzten zwölf Monaten oft kritisiert worden und habe seit längerer Zeit kein größeres Einzel-Turnier mehr gespielt. Ich bin sehr erleichtert, dass ich hier gewinnen konnte.“ Über die beiden Widersacher Chinas, die deutschen Topspieler Boll und Ovtcharov sagte Zhang: „Beide sind unsere Top-Rivalen und sie werden auch in Zukunft unsere schwersten Rivalen bleiben.“ Der Weltranglisten-Dritte Ma Long kommentierte seine Final-Niederlage so: „Zunächst einmal Glückwünsch an Zhang Jike. Es war ein fantastisches Match, in dem wir beide sehr gut gespielt haben. Leider habe ich einige Schlüsselpunkte und Chancen liegen lassen“, betonte der in Düsseldorf topgesetzte Ma Long.
Boll vergibt im dritten und vierten Satz gegen Zhang Jike große Chancen
Für Boll, der seit 2002 ununterbrochen am World Cup teilgenommen hat, war es der zweite dritte Platz nach 2010. 2008 und 2012 war der Rekord-Europameister Zweiter und zweimal schon – 2002 und 2005 – konnte er das erstklassig besetzte Turnier gewinnen. Diesmal schrammte der Düsseldorfer Lokalmatador nur knapp am Finaleinzug und dem möglichen dritten Titel vorbei. Im Halbfinale musste er dem Einzel-Weltmeister und -Olympiasieger Zhang Jike nach sieben hochklassigen Sätzen zum Sieg gratulieren. Der Weltranglisten-Neunte Boll war ganz nah dran, die Partie zu gewinnen. Im dritten Durchgang ließ der WM-Dritte von 2011 allerdings eine 6:2-Führung ungenutzt, im vierten Satz vergab Boll einen 6:1-Vorsprung und zwei Satzbälle. Nach dem 1:3-Satzrückstand sprach alles für Zhang Jike, doch der Borusse Boll – angetrieben vom Düsseldorfer Publikum – konnte zum 3:3 ausgleichen. Im Entscheidungssatz gab der World-Cup-Sieger von 2011, Zhang, die Führung dann nicht mehr aus der Hand. „Ich habe gut gespielt und hätte natürlich das Spiel gerne gewonnen, aber Zhang Jike ist nicht umsonst Weltmeister und Olympiasieger. Ich war schon an meinem Limit und er kann immer noch eine Schippe drauf legen. Das macht dann den Unterschied“, kommentierte Boll die knappe wie schmerzvolle Niederlage. Die letzten beiden Vergleiche in der Superliga 2013 und im Olympia-Team-Halbfinale hatte der Düsseldorfer gewonnen, die Bilanz sprach allerdings mit 7:4 für Zhang. Im Sommer waren beide Teamkollegen in der Chinese Super League und holten mit Shandong Luneng die Meisterschaft. „Gegen ihn ist es sehr komplex zu spielen, da er auf fast alles eine Antwort hat und man daher sehr variabel spielen und viele Schläge weiterdenken muss. Das macht einen müde und man macht Fehler“, analysierte Boll. „Ich war spielerisch gut und bin froh, dass ich so nah an den Chinesen dran bin. Es fehlen nur noch Kleinigkeiten.“ Bereits am Vortag hatte der Düsseldorfer mit klaren Siegen über Adrien Mattenet (Frankreich) und seinem an Position drei gesetzten Nationalteamkollegen Dimitrij Ovtcharov seine gute Form unterstrichen.
Mithilfe des Publikums (Freitag 1.650, Samstag 4.000 und Sonntag 4.400) holt sich Boll Platz drei
Große Regenerationszeit hatte Boll nach dem Halbfinale nicht. Im Spiel um Platz drei wartete mit Japans Jun Mizutani ein Spieler, gegen den der Deutsche bislang erst einmal in seiner Karriere verloren hatte (Bilanz: 16:1). Dabei sollte es bleiben, auch wenn Boll sein ganzes Können aufbieten musste, ehe der 4:2-Sieg gegen den Weltranglisten-Siebten feststand. „Nach dem anstrengenden Halbfinale war es für mich sehr schwer, die Konzentration für das Spiel um Platz drei hochzuhalten. Es war gut, dass das Publikum nach dem verlorenen ersten Satz so hinter mit gestanden hat. Das hat mich noch mal richtig motiviert. Nun bin ich froh, dass ich mit einem Sieg und einem guten dritten Platz in den wohl verdienten Urlaub starten kann“, erklärte Boll.
Quelle: www.tischtennis.de
Fotos: Wieland Speer Foto-Impressionen und Videos vom World-Cup
vom 25.10.2014